FDP Intermezzo: Berufe in der Zukunft
In ihrer neuen öffentlichen Veranstaltungsreihe „FDP Intermezzo“ hat die Freisinnige Partei Uetikon ein Thema aufgegriffen, dem für unsere wirtschaftliche Entwicklung zentrale Bedeutung zukommt: Berufe in der Zukunft. Die Moderatorin eines Podiumsgesprächs, Sanja Bodenmann, Vorstandsmitglied der FDP Uetikon, scharte folgende Spezialisten zum Thema um sich:
- Nicole Brandes ist internationaler Managementcoach, Buchautorin und gefragte Referentin;
- Stéphane Piqué arbeitet als Digital Transformation Senior Manager bei Accenture, einem globalen IT-Dienstleister;
- Erich Meier ist Rektor der Schweizerischen Technischen Fachschule Winterthur;
- Gerhard Meyer ist Geschäftsführer der Schule Uetikon und nebenberuflich Dozent in der Grund- und Weiterbildung von Berufsbildner/innen tätig.
Sanja Bodenmann warf als erste Frage in die Runde, welche bedeutendsten Veränderungen wir in nächster Zukunft erwarten können. Nicole Brandes wies auf folgende Entwicklungstrends hin, die einen Wandel beschleunigen: Globalisierung, Digitalisierung und die Entwicklung künstlicher Intelligenz. Die Globalisierung bewirkt die Auflösung bestehender Strukturen; Grenzen fallen zuhauf. Die zentrale Frage stellt sich: Was geschieht mit den Menschen während des Wandels? Stéphane Piqué schloss sich diesen Feststellungen an. Es stellt sich die Frage, ob unsere Wirtschaft auf den gewaltigen Transformationsprozess vorbereitet sei, der einen Wandel der Themen und der Strukturen fordert, eine Individualisierung der Arbeit und eine Verlagerung vom Produkt auf die Dienstleistung bringt, was einen Wandel der Besitzstrukturen nach sich zieht – dies alles fordert hohe Mobilität und Flexibilität.
Erich Meier konnte den Vorrednern nicht widersprechen, sondern stellte seinerseits fest, dass diese Umstände die Situation der Berufswahl völlig verändere. Während man vor Jahrzehnten mit 20 Jahren auf einen Beruf fixiert war und diesen quasi ein Leben lang ausübte, sind heute Berufswechsel in der Lebensarbeitszeit häufig, ist Weiterbildung unerlässlich und hohe Flexibilität wichtig. Digitalisierung und Globalität sind die Triebfedern dieser Veränderungen, welche an die Berufswahl völlig neue Forderungen stellen.
Gerhard Meyer schloss daran an, stellte aber besorgt fest, dass gerade der Bildungssektor sich durch besondere Trägheit im Strukturwandel auszeichne, was die geforderte Flxibilität behindere. Immerhin ist festzustellen, dass die Durchlässigkeit der Bildungswege heute deutlich verbessert ist, man kann frühere Weichenstellungen heute später noch korrigieren.
Sanja Bodenmann fragte nun nach den Chancen und Risiken dieser Entwicklung. Brandes hielt fest, dass gerade der Ausbildungssektor besonders gefordert sei. Es stellt sich nicht nur die Frage, WAS wir lernen, sondern noch mehr WIE wir lernen. Ein Risiko sieht Brandes darin, dass die Pflege der menschlichen Beziehungen zu kurz kommen könnte. Und auf die aus dem Publikum gestellte Frage nach der zunehmenden Beschleunigung der Entwicklung reagierte Brandes mit dem Hinweis, dass es auch Gruppen gebe, welche mit der Entwicklung, besonders deren Tempo, überfordert sind. Piqué sieht Chancen bei der Jugend dank ihrer Offenheit und Flexibilität. Gerhard Meyer stellt fest, dass es für die Bildungseinrichtungen nicht einfach sei, auf die schnelle Entwicklung der Digitalisierung und der gesellschaftlichen Veränderungen der Mediennutzung zu regieren. Erich Meier verweist auf den Einfluss der Verbände auf die Berufsbildung, der oft Flexibilität behindert. Brandes sieht ein zentrales Problem in der Frage, wie wir mit der wachsenden Bedeutung künstlicher Intelligenz umzugehen wissen. Sie sieht allerdings auch Tendenzen zu einem Gegentrend, der Entschleunigung anstrebt. Bodenmann greift dies auf und weist auf neue Ansätze in der Ausbildung im Gesundheitswesen hin zum „Digitalen Humanismus“ hin.
Auch in Publikumsreaktionen wurden mehrfach Chancen und Risiken der Digitalisierung angesprochen. Piqué erwartet umfangreiche Verlagerungen in der Palette der Berufe. Neue Supporttechnologien werden neue Stellen schaffen, während heutige Stellen des kaufmännischen Sektors verloren gehen. Die Anforderungen werden aber generall steigen, die erhöhte Selbstverantwortung erfordert eine verstärkte Persönlichkeitsentwicklung. Gerade hierzu wurde mehrfach die Sorge geäussert, dass in der Gesellschaftsentwicklung vermehrt Gruppen von „Abgehängten“ zur Herausforderung werden könnten.
Nach fast zwei Stunden intensiver Diskussion hatte es Sanja Bodenmann nicht leicht, auf einen Schluss hin zu steuern, was eindeutig als Indiz für den Erfolg dieser Veranstaltung gewertet werden kann.
Hans Ulmer